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© Ben Fürst



Gott ist keine Spiesserin – feministisch unterwegs in Zürich

Kritisch, selbst­kritisch, solida­risch, poetisch, lust­voll, viel­fältig, suchend und krea­tiv – an elf Abenden an elf ver­schie­denen Orten Zürichs. Das ist das Kon­zept der femi­nis­tischen Themen­reihe «Gott ist keine Spies­serin». Hier finden Sie Infor­mationen und An­lässe rund um die Themen­reihe.

PIONIERFRAUEN ALS WEGWEISERINNEN


In den 1980er-Jahren brachen theo­logisch interes­sierte Frauen zu neuen Ufern auf: Sie hinter­fragten die Dar­stellung von bib­lischen Frauen­figuren und gestal­teten gemein­same Gottes­dienste. Wie hat sich diese Auf­bruch­stimmung ange­fühlt – und was ist heute noch von diesem Denken übrig? Eine Vesper mit anschlies­sendem Genera­tionen­gespräch gab Ant­worten.

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Gestal­teten gemein­sam die Vesper und sprachen danach über die Öku­menische Frauen­bewegung Zürich: v. l. Liv Zumstein, Susanne Talbot, Judith Schläpfer, Tania Oldenhage und Irene Gysel. © Edita Truninger



Die Dienstags­vesper in der Johannes­kirche beginnt ganz im Geiste der Öku­menischen Frauen­bewegung Zürich: Die Stühle sind im Kreis ange­ordnet, in einem mittigen Becken schwimmen Rosen­blüten. Für die Litur­gie haben die Pfarrerinnen Tania Oldenhage und Liv Zumstein erfahrene Mit­frauen an ihrer Seite: Irene Gysel, ehe­malige Kirchen­rätin und Autorin sowie Susanne Talbot und Judith Schläpfer – alles Ver­treterinnen der Öku­menischen Frauen­bewegung Zürich der 1990er-Jahren.

Nein, sie kniete nicht

Auch der Ort ist viel­sagend: Die Johannes­kirche im Kirchen­kreis vier fünf. Genau hier fanden 1995 jeden Monat Frauen­gottes­dienste der Öku­menischen Frauen­bewegung Zürich statt. Die Idee: Niemand sollte den Frauen von der Kanzel herab er­zählen, was ihnen un­sinnig er­schien – wie zum Bei­spiel das klischierte Bild der Maria Magdalena als Unter­tänige oder Hure. In un­zähligen Gemälden werde sie vor Jesus kniend dar­gestellt – «dabei muss man nur in der Bibel nach­lesen, um zu begreifen: Sie stand auf­recht», so Pfarrerin Liv Zumstein. Im Rahmen der Vesper kommen alle fünf Frauen zu Wort: Sie geben preis, wie sie zu Maria Magdalena stehen. Fast alle Ge­schichten handeln davon, wie sehr sich das Bild auf Maria Magdalena im Ver­laufe des Lebens ver­ändert hat. Bis heute ist sich die Wissen­schaft über die Bedeu­tung von Maria aus Magdala in Galiläa uneinig. Für die feminis­tische Theo­logie ist jedoch klar: Unter Jesus Jüngern nahm sie eine zentrale Rolle ein.

Aufbruchstimmung trotz grossem Widerstand

Das anschliessende Generationengespräch im Kirch­gemeinde­haus gaben dem Publi­kum einen tiefen Ein­blick in eine frauen­bewegte Zeit: Die Öku­menische Frauen­bewegung warf damals eine Viel­zahl patriar­chaler Klischees über Bord. Autorin Irene Gysel blickt zurück: «Das Besondere war, dass wir Frauen anfingen, Gottes­dienste selbst zu ge­stalten. Heute scheint es kaum mehr vor­stell­bar: Aber damals war das ein abso­lutes Novum.» Die Frauen begannen, sich inten­siver mit den feministisch-theo­logischen Schriften aus­einander­zusetzen und trafen sich zum Bei­spiel zu gemein­samen Lese­kreisen. Auch Judith Schläpfer erinnert sich: «Es hat gebrodelt, eine unglaub­liche Auf­bruch­stimmung lag in der Luft.» In der Öffent­lich­keit wurden Themen disku­tiert wie Gesund­heit, Mutter­schaft, Spiri­tualität, weib­liche Frei­heit etc. Das Private war politisch.»

Grosses Misstrauen gegenüber den Frauen

Susanne Talbot, ehemaliges Mit­glied der Öku­menischen Frauen­bewegung Zürich, staunt über die Energie, die sie und ihre Mit­frauen damals für die Sache auf­brachten. «Niemand fühlte sich gezwungen, alle haben es mit so viel Liebe und Freude gemacht.» Irene Gysel muss häufig an die Vor­bereitungs­treffen für die Gestal­tung der Gottes­dienste zurück­denken. «Manches Mal nahmen wir uns Stellen aus der Bibel vor und sagten uns: ‹So etwas kann sich nur ein Mann aus­gedacht haben!›» Die Autorin verweist auf den enormen theo­logischen Wissens­durst in der Bewegung – doch statt die Frauen einzu­binden, schlug ihnen von akade­mischer Seite sehr viel Miss­trauen ent­gegen. «Die Theolo­gische Fakul­tät der Univer­sität Zürich hat alles sofort abge­klemmt – dabei wäre das doch eine Chance für sie gewesen!» Deshalb zweifle sie heute ein wenig daran, dass etwas von den Errungen­schaften von damals hängen geblieben sei.

Feministisches Denken geriet in Vergessenheit

Liv Zumstein, die Jüngste der Runde, bestätigte diesen Eindruck: «Als ich anfing, Theologie zu studieren, hat es überhaupt nicht mehr gebrodelt.» Sie beschreibt es wie ein Puzzle mit Wissens­steinen, die sie erst im Ver­lauf der Jahre zu einem Bild zusammen­setzen konnte. Sie habe eine Frauen­synode besucht, prägende Frauen kennen­gelernt und so immer mehr über die Bewe­gung und ihre Denk­weise er­fahren. «Das war aber alles nicht insti­tutio­nalisiertes Wissen», so Liv Zumstein.

Kirchenräume freier gestalten

Judith Schläpfer hakt hier ein: «Die Kirche als Insti­tution hatte für uns über­haupt keine Bedeu­tung. Wir haben weit über diesen eng gesteckten Rahmen hinaus­gedacht.» Bis heute seien Kirchen­räume wichtig, «aber wie man sie besetzt und gestal­tet, sollte wieder viel freier sein». Die Frage der Modera­torin Tania Oldenhage, ob wir bereits in der post­patriar­chalen Kirche ange­kommen seien, erntet im vollen Saal viele Lacher des vor­wiegend weib­lichen Publi­kums. Judith Schläpfer: «Ich glaube, wir müssen die Initi­ative für diese Denk­arbeit wieder mehr an uns nehmen. Schliess­lich können wir die anderen nicht verändern – aber wir können uns aus­drücken.» Eine junge Theo­logie­studentin aus dem Publi­kum beobachtet in der Gesell­schaft Ermüdungs­erscheinungen für feminis­tische Themen und bedankte sich bei den Frauen auf dem Podium für ihre Pionier­arbeit. «Das macht mir Mut und gibt mir Hoff­nung.» Eine Zuhörerin, die sich als Atheistin be­zeichnet, hätte nie gedacht, dass ihr diese Art von Theo­logie so sehr zusagen würde. «Eine Kirche mit einem feminis­tischen Blick­winkel wird auch für Leute wie mich relevant.» Der letzte Frauen­gottes­dienst der Öku­menischen Frauen­bewegung Zürich fand übrigens 2009 im Frau­münster statt. Dass es sie weiter­hin benötigen würde, hat der Diskussions­abend gezeigt.

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