THEOLOGIE UND FRAUENRECHTE: UND OB!


Der Bildungsabend über Frauenrechte im Iran wirft ein Schlaglicht auf die feminis­tischen Theologien des Christen­tums sowie des Islams. Zu Gast ist Religions­philosophin Saida Mirsadri. Die Iranerin weilt nur noch für kurze Zeit als Gast­professorin in Zürich.


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Die Bilder aus dem Iran haben uns erreicht und aufgerüttelt: Frauen in den Strassen Teherans verbrennen ihre Kopftücher und setzen sich gegen die Repression des Staates zur Wehr. Der Kirchenkreis zwölf nimmt die aktuellen Entwicklungen und seine Hintergründe zum Anlass für einen Bildungs­anlass über Frauenrechte im Iran. Zu Gast ist die Religions­philosophin Saida Mirsadri. «Im Iran gibt es eine lange Tradition von Frauen, die für ihre Rechte gekämpft haben», so die promovierte Religions­philosophin. «Und nach jeder Revolution bekamen die Männer mehr Rechte, während sie den Frauen verwehrt blieben.»

Pfarrerin Esther Straub wird Mirsadris Referat mit ihren Kenntnissen aus der christlichen feministischen Theologie ergänzen. «Ich freue mich auf einen offenen Erfahrungs­austausch», so die Pfarrerin. Moderiert wird der Abend von Pfarrer Jiri Dvoracek. Er hat Saida Mirsadri an einer Vesper über den persischen Dichter Omar Chajjám kennengelernt. «Auf meine Bitte hin hat sie seine Verse spontan im persischen Original rezitiert», freut er sich. Als Gast­professorin für Islamische Theologie und Bildung ist die Iranerin nur noch bis Ende Januar am religions­wissenschaftlichen Seminar der Universität Zürich tätig, bevor sie nach Deutschland zurückkehrt. Jiri Dvoracek packte die Gelegenheit beim Schopf und lud sie nach Schwamendingen ein.

Kopftuchzwang und Zwangsentschleierung

An einem multireligiösen Ort wie Schwamendingen sind interreli­giöse Fragen eng mit dem Alltag verwoben. «Das befördert das Interesse und die gegenseitige Anteilnahme», sagt Esther Straub. Auch der Bildungs­abend über Frauen­rechten im Iran steht ganz im Zeichen von Interreli­giosität – und wie islamische und christliche Glaubens­traditionen Einfluss auf das zivile Leben nehmen. Was für eine Rolle die Religion spiele – sowohl in der Schweiz als auch im Iran – sei eine sehr spannende Frage, sagt Esther Straub. «Obwohl wir in einer Demokratie leben, ist unser Alltag auch in der Schweiz von patriarchalen Strukturen geprägt.» Es bestünde eine Wechsel­wirkung zwischen Religion und zivilem und politischem Leben. Das Gleiche gilt für den Iran: «Der Körper der Frau wird seit einem Jahr­hundert immer politisch politisiert und politisch instrumentali­siert», sagt Saida Mirsadri. Der Iran kennt als einziges von 50 muslimischen Ländern den Kopftuch­zwang. Unter der Herrschaft des ersten Pahlavi Schahs (1925–1941) war es sogar offiziell verboten, ein Kopftuch zu tragen – eine Macht­demonstration des Schahs gegen die Kleriker. «Es war das genaue Gegenteil von heute, nämlich: eine Zwangsent­schleierung im Namen der Frauen­emanzipation», so die Religions­philosophin.

Die Bibel als Buch mit viel feministischem Potenzial
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Im Christentum verschafft sich seit den 1960er Jahren eine feministische Theologie Gehör. «Die Bibel hat enormes feminis­tisches Potenzial», sagt Esther Straub. Gemeinsam mit einer Gruppe von feminis­tischen Theologinnen hat sie sich vor zwanzig Jahren dafür eingesetzt, dieses Potenzial in der Zürcher Bibel sprachlich sichtbarer zu machen. Sie und ihre Mit­streiter­innen hätten sich damals gefragt: Wo über­nehmen wir durch Übersetzungs­fehler patriarchale Struk­turen unserer Zeit, wo werden feministische Inhalte der Bibel marginali­siert? «Im Neuen Testa­ment ist zum Beispiel nur von Jüngern die Rede – dabei ist überliefert, dass Jesus auch von Jüngerinnen begleitet wurde», so Esther Straub. Jüngerinnen, Apostelinnen, Prophet­innen… in der Bibel wird Frauen zugetraut, was die heutige Übersetzung ausschliesst. «Statt von ‘Prophetinnen’ wird so zum Beispiel von ‘prophetisch begabten Frauen’ gesprochen – aber das ist nicht dasselbe.»

Auf der Suche nach anderen Narrativen

Ansätze einer feministischen Theologie kennt auch der Islam. «Es gibt drei oder vier problematische Verse, die frauen­verachtend sind», so Saida Mirsadri. «Doch einige islamisch-­feministische Theologinnen schlagen vor, sich nicht so sehr auf die problematischen Verse zu versteifen, sondern vermehrt den Narrativen Aufmerk­samkeit zu schenken. «In denen ist nämlich zu beobachten, dass der Koran implizit die patriarchalischen Strukturen seiner Zeit kritisiert.» Darüber hinaus gebe es einige sehr starke Frauen­figuren im Koran wie die Mutter von Mose oder Jesus’ Mutter Maria, die im Koran eine viel zentralere Rolle spielt als Jesus und auch viel wichtiger erscheint als in der Bibel. Initiant Jiri Dvoracek freut sich sehr auf den bevorstehenden Abend. «Ich erhoffe mir, mehr über die Hinter­gründe im Iran zu erfahren und Parallelen und Unterschieden zwischen den Glaubens­traditionen klarer zu erkennen.» Letztendlich lasse sich so auch die eigene Tradition kritisch hinterfragen. Jiri Dvoracek: «Wie die Theologie mit Frauenrechten umgeht, ist eine Frage der ständigen Reflexion jedes einzelnen Reformierten.»



Informationen zur Veranstaltung


Donnerstag, 19. Januar 2023, 19 Uhr

Reformiertes Kirchgemeindehaus Schwamendingen

mit Pfarrerin Dr. Esther Straub

Moderation: Pfarrer Dr. Jiri Dvoracek

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