75 Jahre nach Kriegsende waren unzählige Veranstaltungen geplant, die an die Shoa erinnern sollten. Vorerst können sie alle nicht stattfinden, denn Holocaust-Überlebende gehören ausnahmslos zur Risikogruppe. Die Stiftung Gamaraal betreibt eine Hotline, um sie zu unterstützen.
Wenn Anita Winter gemeinsam mit Holocaust-Überlebenden eine Schule besucht, sei das Interesse der Schülerinnen und Schüler überwältigend, sagt sie. «Man würde in einem Raum mit 500 Menschen eine Stecknadel fallen hören.» Anita Winter ist Gründerin und Präsidentin der Stiftung Gamaraal, die sich für Holocaust-Überlebende in der Schweiz einsetzt. Neben Schulbesuchen organisiert sie Ausstellungen, und die Stiftung leistet finanzielle Unterstützung an Überlebende. Schätzungen zufolge lebt weltweit etwa die Hälfte aller Holocaust-Überlebenden heute in Armut.
Zurzeit können keine Schulbesuche und Ausstellungen mehr durchgeführt werden. Wegen der Corona-Krise musste die Stiftung alle geplanten Veranstaltungen absagen oder verschieben. «Das ist auch für mich unglaublich bedauerlich», sagt Anita Winter. Corona trifft Europa in einem besonderen Jahr: Das Kriegsende liegt 75 Jahre zurück. Zum Gedenken an die unvorstellbaren Verbrechen der Shoa wären eigentlich unzählige Veranstaltungen geplant gewesen. Alle sind abgesagt.
Eine Hotline für Holocaust-Überlebende
Stattdessen hat die Stiftung Gamaraal eine Hotline für Holocaust-Überlebende in allen Landesteilen eingerichtet, die 24 Stunden am Tag erreichbar ist. Dies sei nur mit Hilfe dutzender Freiwilliger möglich, wie Anita Winter erzählt: «Die generationenübergreifende Solidarität ist beeindruckend, und wir sind den Freiwilligen unermesslich dankbar», sagt sie. Die Hotline werde sehr rege genutzt; die Freiwilligen tätigen unter anderem Einkäufe für Menschen, die niemanden mehr haben. Vor allem sei es aber wichtig, zuzuhören und mit den Menschen zu reden.
Anita Winter nennt das «Besuche per Telefon». «Die allermeisten der Holocaust-Überlebenden sind weder über Social Media noch per E-Mail erreichbar; deshalb ist der telefonische Austausch so wichtig, um der Isolation entgegenzuwirken.»
Ausnahmslos Hochrisikogruppe
Denn auch wenn der Lockdown inzwischen wieder etwas gelockert wurde und der Alltag in der Öffentlichkeit langsam wieder Fahrt aufnimmt: Überlebende des Holocausts zählen heute wegen ihres Alters ausnahmslos zur Hochrisikogruppe. Und die Isolation und die Konfrontation mit einer unsichtbaren Bedrohung könne vereinzelt retraumatisierend wirken, sagt Anita Winter. In Notfällen kontaktiert die Stiftung Gamaraal Fachpersonen, um angemessen Unterstützung leisten zu können.
Grundsätzlich würden die allermeisten Menschen, mit denen die Stiftung in Austausch steht, aber eine beeindruckende Resilienz vorleben. «Viele erzählen uns, sie hätten schon viel Schlimmeres erlebt: keine Wohnung, kein Essen, keine warme Kleidung.» Es sind Bruchstücke von Erzählungen, die nie vergessen werden dürfen. Trotz Corona; ganz besonders auch in diesem Jahr.
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Mehr über Holocaust-Überlebende in der Schweiz erfahren Sie hier.
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