Ein überkonfessioneller Anlass schenkt Trauernden in der Öffentlichkeit der Stadtmitte einen Rahmen, um ihren verstorbenen Angehörigen zu gedenken.
Vertreter:innen der reformierten Kirchgemeinde und der Stadt Zürich laden zum ersten Mal zu einem öffentlichen, überkonfessionellen Gedenken an Verstorbene ein: in den Kreuzgang zwischen Stadthaus und Fraumünster. So erhalten interessierte Bürger:innen ganz unabhängig von Religion und Weltanschauung die Möglichkeit, ihren verstorbenen Angehörigen zu gedenken. Ein öffentliches Trauerritual, und das mitten in der Stadt? Das Stadthaus mit dem Bestattungs- und Friedhofamt der Stadt Zürich und das Fraumünster liegen unmittelbar nebeneinander. Da beide Institutionen oft mit Sterbe- und Trauerfällen zu tun haben, sprach Pfarrer Johannes Block eine Einladung an den Bereichsleiter im Bestattungs- und Friedhofamt aus. Yannick Landolt folgte dieser gern und kam in den Gottesdienst, um von seiner täglichen Arbeit zu berichten.
Die Resonanz war gross. «Und auch in den Nachgesprächen ging es um unsere Trauerkultur», sagt Johannes Block. «Trauer ist heute ein abgeschattetes, privates Thema.» Ein Trauerjahr oder schwarze Trauerkleidung seien heute beispielsweise kaum noch gebräuchlich. Aus diesen gemeinsamen Gesprächen heraus entwickelte sich die Idee, öffentlich und überkonfessionell zu trauern, «damit wir uns gewahr werden, dass auch mein muslimischer Nachbar oder meine atheistische Kollegin jemand Nahes verloren haben», so Block. Trauer sei etwas allgemein-menschliches, das Menschen mit und ohne Religion betreffe.
Datum und Ort des öffentlichen Gedenkens sind sehr bewusst gewählt: Der letzte Sonntag im Kirchenjahr – auch Ewigkeits- oder Totensonntag genannt – ist traditionell ein Tag des Gedenkens an verstorbene Menschen. In Gottesdiensten werden am Totensonntag die Namen jener Personen vorgelesen, die die Gemeinde im Verlauf des aktuellen Kirchenjahrs verabschieden musste. Das wird auch im Fraumünster so geschehen. Das öffentliche Abschiednehmen für die ganze Stadtbevölkerung findet anschliessend im Kreuzgang zwischen Fraumünster und Stadthaus statt. Die Symbolik des öffentlich zugänglichen Zwischenraums ist für Johannes Block sehr bedeutend, «denn es ist ein Raum zwischen Politik und Religion und zwischen Zeit und Ewigkeit.» In der öffentlichen Wahrnehmung präsent ist vielleicht das Denkmal in der Mitte des Gangs – es ist der letzten Äbtissin Katharina von Zimmern gewidmet und stellt zugleich ein Grabmal dar. «Erst bei der Recherche fand ich heraus, dass der Zwischenraum früher auch als Friedhof für die Abtei genutzt wurde», so Johannes Block. Ein Musiker wird während des halbstündigen Rituals mit der Trompete eine andächtige Atmosphäre erzeugen. Zudem können die Anwesenden eine Kerze für ihre Verstorbenen entzünden. «Für uns ist es auch ein Experimentierfeld. Wir sind sehr gespannt darauf, wie die Menschen die öffentliche Gedenkfeier aufnehmen und wie gross der Nachhall sein wird», so Johannes Block.
Rituale wie das Kerzenanzünden sind wichtig für den Trauerprozess, weil sie ihn strukturieren. «Einen besonders guten Ruf haben Rituale ja nicht, weil sie als etwas Starres, Betoniertes gelten», so der Pfarrer. Gleichzeitig ist er überzeugt, dass sich die Menschen beim Abschied eines geliebten Menschen neue, andere Rituale suchen – solche, die für sie stimmig sind. Genau gleich wie man sprachlos vor Liebe sein könne, fehlten bei einer tiefen Verlusterfahrung oft die Worte. Das Ritual diene den trauernden Menschen, ihrer Ohnmacht und Trauer Ausdruck zu geben, auch wenn sich die Gefühle nicht verbalisieren liessen. Johannes Block: «Das Ritual spricht für sich – und greift gleichzeitig in eine unsagbare Sphäre.»
Sonntag, 26. November 2023, 11.30–12.15 Uhr
Kreuzgang zwischen Stadthaus und Fraumünster
Mitwirkende:
Pfarrer Johannes Block, Fraumünster
Bruno Bekowies, Bestattungs- und Friedhofamt
Rolf Steinmann, Bestattungs- und Friedhofamt
Werner Eberle, Trompete
↗ Weitere Informationen (Website Fraumünster)
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