DAS RITUAL ÜBERNIMMT, WO DAS WORT VERSAGT


Ein über­konfes­sio­neller An­lass schenkt Trauern­den in der Öffent­lich­keit der Stadt­mitte einen Rahmen, um ihren ver­stor­benen An­ge­hörigen zu ge­denken.

231018RKZ_Zwischen_Zeit_und_Ewigkeit_©Unsplash_1200px
Ritu­ale wie das Kerzen­anzünden sind wich­tig für den Trauer­prozess, weil sie ihn struktu­rieren. © Unsplash



Vertre­ter:innen der refor­mierten Kirch­gemeinde und der Stadt Zürich laden zum ersten Mal zu einem öffent­lichen, über­konfes­sio­nellen Ge­denken an Ver­storbene ein: in den Kreuz­gang zwischen Stadt­haus und Frau­münster. So erhal­ten inte­res­sierte Bürger:innen ganz unab­hängig von Reli­gion und Welt­an­schauung die Mög­lich­keit, ihren ver­storbenen Ange­hörigen zu ge­denken. Ein öffent­liches Trauer­ritual, und das mitten in der Stadt? Das Stadt­haus mit dem  Be­stattungs- und Fried­hof­amt der Stadt Zürich und das Frau­münster liegen un­mittel­bar neben­ein­ander. Da beide Insti­tu­tionen oft mit Sterbe- und Trauer­fällen zu tun haben, sprach Pfarrer Johannes Block eine Ein­ladung an den Be­reichs­leiter im Be­stattungs- und Fried­hof­amt aus. Yannick Landolt folgte dieser gern und kam in den Gottes­dienst, um von seiner täg­lichen Ar­beit zu be­richten.

Die Reso­nanz war gross. «Und auch in den Nach­ge­sprächen ging es um unsere Trauer­kultur», sagt Johannes Block. «Trauer ist heute ein ab­geschat­tetes, pri­vates Thema.» Ein Trauerjahr oder schwarze Trauerkleidung seien heute beispielsweise kaum noch ge­bräuch­lich. Aus diesen ge­mein­samen Ge­sprächen heraus ent­wickelte sich die Idee, öffent­lich und über­kon­fessio­nell zu trauern, «damit wir uns gewahr werden, dass auch mein musli­mischer Nach­bar oder meine athe­is­tische Kol­legin jemand Nahes ver­loren haben», so Block. Trauer sei etwas all­gemein-mensch­liches, das Menschen mit und ohne Reli­gion be­treffe.

Trauer­begeg­nungen im Zwischen­raum
Newsletter_Visual_Webartikel_schmal

Datum und Ort des öffent­lichen Ge­den­kens sind sehr be­wusst ge­wählt: Der letzte Sonn­tag im Kirchen­jahr – auch Ewig­keits- oder Toten­sonn­tag ge­nannt – ist tradi­tio­nell ein Tag des Ge­den­kens an ver­stor­bene Men­schen. In Gottes­diensten werden am Toten­sonn­tag die Namen jener Per­sonen vor­ge­lesen, die die Ge­meinde im Ver­lauf des aktu­ellen Kirchen­jahrs ver­ab­schieden musste. Das wird auch im Frau­münster so ge­schehen. Das öffent­liche Ab­schied­nehmen für die ganze Stadt­bevöl­kerung findet an­schlies­send im Kreuz­gang zwischen Frau­münster und Stadt­haus statt. Die Symbo­lik des öffent­lich zugäng­lichen Zwischen­raums ist für Johannes Block sehr be­deutend, «denn es ist ein Raum zwischen Poli­tik und Reli­gion und zwischen Zeit und Ewig­keit.» In der öffent­lichen Wahr­nehmung präsent ist viel­leicht das Denk­mal in der Mitte des Gangs – es ist der letzten Äbtis­sin Katha­rina von Zimmern gewid­met und stellt zu­gleich ein Grab­mal dar. «Erst bei der Re­cherche fand ich he­raus, dass der Zwischen­raum früher auch als Fried­hof für die Abtei ge­nutzt wurde», so Johannes Block. Ein Musi­ker wird während des halb­stündigen Ritu­als mit der Trom­pete eine andäch­tige Atmos­phäre er­zeugen. Zudem können die An­we­senden eine Kerze für ihre Ver­stor­benen ent­zünden. «Für uns ist es auch ein Experi­men­tier­feld. Wir sind sehr ge­spannt darauf, wie die Men­schen die öffent­liche Gedenk­feier auf­nehmen und wie gross der Nach­hall sein wird», so Johannes Block.

Das Ritual über­nimmt

Ritu­ale wie das Kerz­en­anzünden sind wich­tig für den Trauer­pro­zess, weil sie ihn struk­tu­rieren. «Einen beson­ders guten Ruf haben Ritu­ale ja nicht, weil sie als etwas Starres, Beto­nier­tes gelten», so der Pfarrer. Gleich­zeitig ist er über­zeugt, dass sich die Men­schen beim Ab­schied eines gelieb­ten Men­schen neue, andere Ritu­ale suchen – solche, die für sie stim­mig sind. Genau gleich wie man sprach­los vor Liebe sein könne, fehlten bei einer tiefen Ver­lust­erfah­rung oft die Worte. Das Ritu­al diene den trauern­den Men­schen, ihrer Ohn­macht und Trauer Aus­druck zu geben, auch wenn sich die Gefühle nicht ver­bali­sieren liessen. Johannes Block: «Das Ritual spricht für sich – und greift gleich­zeitig in eine un­sag­bare Sphäre.»



Öffent­liches Geden­ken an ver­storbene Men­schen


Sonntag, 26. November 2023, 11.30–12.15 Uhr

Kreuzgang zwischen Stadthaus und Fraumünster

Mitwirkende:

Pfarrer Johannes Block, Fraumünster
Bruno Bekowies, Bestattungs- und Friedhofamt
Rolf Steinmann, Bestattungs- und Friedhofamt
Werner Eberle, Trompete

↗ Weitere Informationen (Website Fraumünster)

Aktuell

ANMELDEN UND GEWINNEN!


Unter allen Neuabonnent:innen bei unserem monatlichen Newsletter verlosen wir bis 31. Mai zwei Übernachtungen im Tessin für zwei Personen.

17301

GOTTESDIENSTE AN FEIERTAGEN


Haben Sie Lust, an Auffahrt und Pfingsten einen Gottes­dienst zu be­suchen? Per Klick ge­langen Sie direkt zu allen Ver­an­stal­tungen rund um die beiden Feier­tage.

106.05.2024

OMG! HOFFNUNG IM ELEND!


In einer Welt, in der mehr als 10'000 Kinder täglich auf den Strassen von Kumasi überleben müssen, setzt Jayden mit seinem Schulprojekt ein Zeichen der Hoffnung.226408.05.2024

PIONIERFRAUEN ALS WEGWEISERINNEN


Die feministisch-theolo­gische Bewe­gung veränderte den Blick auf Frauen in der Bibel. Ein Genera­tionen­gespräch würdigte diese Pionier­zeit.

07.05.2024

KRAFT DES HERZENSGEBETS


Ein fünfteiliger Kurs führt in das Herzens­gebet ein und hilft, in einem bewegten Alltag bei sich selbst an­zu­kommen und das gött­liche Geheim­nis in sich zu ent­decken.

174302.05.2024

AUSSTELLUNG ZUM «HAUS DER DIAKONIE»


Eine neu eröffnete Ausstellung im Kirchgemeindehaus Wipkingen gibt Einblicke in das Projekt «Haus der Diakonie».30.04.2024

PODIUMSGESPRÄCH ZU ANTISEMITISMUS


Wann hört Meinungs­frei­heit auf und fängt Anti­semi­tismus an? Ein Podiums­gespräch mit Ver­treter:innen aus der Politik und Kirche geht dieser Frage am 14. Mai nach.

170526.04.2024

EINE FÜLLE AN CHÖREN


Gemeinsam singen macht glück­lich: Die refor­mierte Kirch­gemeinde Zürich bietet eine grosse Aus­wahl an Chören mit unter­schied­lichen Musik­stilen.

125.04.2024

Diese Website verwendet Cookies und speichert unter Umständen persönliche Daten zur Unterstützung der Benutzerfreundlichkeit. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.