DAS RITUAL ÜBERNIMMT, WO DAS WORT VERSAGT


Ein über­konfes­sio­neller An­lass schenkt Trauern­den in der Öffent­lich­keit der Stadt­mitte einen Rahmen, um ihren ver­stor­benen An­ge­hörigen zu ge­denken.

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Ritu­ale wie das Kerzen­anzünden sind wich­tig für den Trauer­prozess, weil sie ihn struktu­rieren. © Unsplash



Vertre­ter:innen der refor­mierten Kirch­gemeinde und der Stadt Zürich laden zum ersten Mal zu einem öffent­lichen, über­konfes­sio­nellen Ge­denken an Ver­storbene ein: in den Kreuz­gang zwischen Stadt­haus und Frau­münster. So erhal­ten inte­res­sierte Bürger:innen ganz unab­hängig von Reli­gion und Welt­an­schauung die Mög­lich­keit, ihren ver­storbenen Ange­hörigen zu ge­denken. Ein öffent­liches Trauer­ritual, und das mitten in der Stadt? Das Stadt­haus mit dem  Be­stattungs- und Fried­hof­amt der Stadt Zürich und das Frau­münster liegen un­mittel­bar neben­ein­ander. Da beide Insti­tu­tionen oft mit Sterbe- und Trauer­fällen zu tun haben, sprach Pfarrer Johannes Block eine Ein­ladung an den Be­reichs­leiter im Be­stattungs- und Fried­hof­amt aus. Yannick Landolt folgte dieser gern und kam in den Gottes­dienst, um von seiner täg­lichen Ar­beit zu be­richten.

Die Reso­nanz war gross. «Und auch in den Nach­ge­sprächen ging es um unsere Trauer­kultur», sagt Johannes Block. «Trauer ist heute ein ab­geschat­tetes, pri­vates Thema.» Ein Trauerjahr oder schwarze Trauerkleidung seien heute beispielsweise kaum noch ge­bräuch­lich. Aus diesen ge­mein­samen Ge­sprächen heraus ent­wickelte sich die Idee, öffent­lich und über­kon­fessio­nell zu trauern, «damit wir uns gewahr werden, dass auch mein musli­mischer Nach­bar oder meine athe­is­tische Kol­legin jemand Nahes ver­loren haben», so Block. Trauer sei etwas all­gemein-mensch­liches, das Menschen mit und ohne Reli­gion be­treffe.

Trauer­begeg­nungen im Zwischen­raum
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Datum und Ort des öffent­lichen Ge­den­kens sind sehr be­wusst ge­wählt: Der letzte Sonn­tag im Kirchen­jahr – auch Ewig­keits- oder Toten­sonn­tag ge­nannt – ist tradi­tio­nell ein Tag des Ge­den­kens an ver­stor­bene Men­schen. In Gottes­diensten werden am Toten­sonn­tag die Namen jener Per­sonen vor­ge­lesen, die die Ge­meinde im Ver­lauf des aktu­ellen Kirchen­jahrs ver­ab­schieden musste. Das wird auch im Frau­münster so ge­schehen. Das öffent­liche Ab­schied­nehmen für die ganze Stadt­bevöl­kerung findet an­schlies­send im Kreuz­gang zwischen Frau­münster und Stadt­haus statt. Die Symbo­lik des öffent­lich zugäng­lichen Zwischen­raums ist für Johannes Block sehr be­deutend, «denn es ist ein Raum zwischen Poli­tik und Reli­gion und zwischen Zeit und Ewig­keit.» In der öffent­lichen Wahr­nehmung präsent ist viel­leicht das Denk­mal in der Mitte des Gangs – es ist der letzten Äbtis­sin Katha­rina von Zimmern gewid­met und stellt zu­gleich ein Grab­mal dar. «Erst bei der Re­cherche fand ich he­raus, dass der Zwischen­raum früher auch als Fried­hof für die Abtei ge­nutzt wurde», so Johannes Block. Ein Musi­ker wird während des halb­stündigen Ritu­als mit der Trom­pete eine andäch­tige Atmos­phäre er­zeugen. Zudem können die An­we­senden eine Kerze für ihre Ver­stor­benen ent­zünden. «Für uns ist es auch ein Experi­men­tier­feld. Wir sind sehr ge­spannt darauf, wie die Men­schen die öffent­liche Gedenk­feier auf­nehmen und wie gross der Nach­hall sein wird», so Johannes Block.

Das Ritual über­nimmt

Ritu­ale wie das Kerz­en­anzünden sind wich­tig für den Trauer­pro­zess, weil sie ihn struk­tu­rieren. «Einen beson­ders guten Ruf haben Ritu­ale ja nicht, weil sie als etwas Starres, Beto­nier­tes gelten», so der Pfarrer. Gleich­zeitig ist er über­zeugt, dass sich die Men­schen beim Ab­schied eines gelieb­ten Men­schen neue, andere Ritu­ale suchen – solche, die für sie stim­mig sind. Genau gleich wie man sprach­los vor Liebe sein könne, fehlten bei einer tiefen Ver­lust­erfah­rung oft die Worte. Das Ritu­al diene den trauern­den Men­schen, ihrer Ohn­macht und Trauer Aus­druck zu geben, auch wenn sich die Gefühle nicht ver­bali­sieren liessen. Johannes Block: «Das Ritual spricht für sich – und greift gleich­zeitig in eine un­sag­bare Sphäre.»



Öffent­liches Geden­ken an ver­storbene Men­schen


Sonntag, 26. November 2023, 11.30–12.15 Uhr

Kreuzgang zwischen Stadthaus und Fraumünster

Mitwirkende:

Pfarrer Johannes Block, Fraumünster
Bruno Bekowies, Bestattungs- und Friedhofamt
Rolf Steinmann, Bestattungs- und Friedhofamt
Werner Eberle, Trompete

↗ Weitere Informationen (Website Fraumünster)

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