Gastbeitrag von Peter Aerne
1918 traten die ersten Pfarrerinnen schweizweit als Ordinierte ins Pfarramt ein. Die Zulassung zu diesem wurde Rosa Gutknecht und Elise Pfister aber vom Gesetz verwehrt. Die zwei Frauen wirkten ihr Leben lang als Pfarrerinnen unter der Bezeichnung «Pfarrhelferinnen». Die Gleichstellung der Theologinnen im Kirchengesetz 1963 erlebten beide nicht mehr.
Der Historiker Pierre Aerne schrieb anlässlich des 100-Jahre-Jubiläums einen Beitrag über Rosa Gutknecht und Elise Pfister. Er forscht und publiziert zu historischen Themen des 20. Jahrhunderts wie etwa Frauengeschichte oder Protestantismus.
Am Sonntag, 23. Juli 1911, wurde in der Kreuzkirche in Hottingen Geschichte geschrieben: Die erste Frau auf einer Kanzel in der Schweiz! Die deutsche Theologin Gertrud von Petzold hielt einen Abendgottesdienst. In der grossen Menschenmenge befanden sich auch die Primarlehrerinnen Rosa Gutknecht und Elise Pfister, die sich vom Lehrerinnenseminar her kannten. Die Tatsache, dass eine Frau einen Gottesdienst leitete, war prägend für den weiteren Werdegang der zwei Frauen. Die beiden folgten «ihrem klaren innern Ruf» und tauschten den Lehrerinnenberuf gegen ein Theologiestudium. Nach Abschlüssen mit Bestnoten wurden sie am 27. Oktober 1918 vom Zürcher Kirchenrat zum Pfarramt ordiniert. «Die ersten beiden weiblichen Pfarrer Europas», schrieb die «Schweizer Illustrierte». Viel wichtiger als der Ordinationsakt war jedoch, dass die beiden Ordinierten 1919 auch tatsächlich ins Pfarramt traten – Elise Pfister am Neumünster als offiziell erste Pfarrerin schweizweit, Rosa Gutknecht als offiziell erste Pfarrerin am Grossmünster. Seither gibt es Pfarrerinnen bei den Schweizer Reformierten. Und doch nicht ganz: Denn beiden Frauen wurden auf der Gesetzesebene einige Steine in den Weg gelegt.
Starre Gesetze verunmöglichen Gleichstellung
Damals wurden die ordentlichen Pfarrstellen vom Kanton bezahlt. Die Zürcher Kirche – bis 1963 als Staatskirche organisiert – wollte die Zulassung von Theologinnen in der Kirchenordnung regeln, denn eine entsprechende Gesetzesrevision wäre bei den stimmberechtigten Männern chancenlos gewesen. Der Regierungsrat lehnte jedoch am 7. Mai 1921 diesen Synodenbeschluss ab. Er war nicht gegen Pfarrerinnen an sich, beharrte aber darauf, dass die Zulassung von Frauen zu öffentlichen Ämtern wie das Pfarramt im Gesetz geregelt wurde. So verlangte es auch die Kantonsverfassung.
Die Kirchenpflege Neumünster rekurrierte an das Bundesgericht, weil sie Elise Pfister auf eine ordentliche Pfarrstelle wählen wollte. Das höchste Schweizer Gericht wies den Rekurs am 22. Dezember 1921 ab. Auch Rosa Gutknecht war direkt betroffen. Sie vertrat ab 1. April offiziell den erkrankten Rudolf Finsler, einen der beiden Grossmünster-Pfarrer. Zu diesem Vikariat war sie von der Kirchenpflege aufgrund ihrer vorzüglichen Arbeit vorgeschlagen worden – ohne «Präjudiz bei einer zu treffenden Pfarrwahl». Am 1. November 1921 starb Finsler. Wenn die Kirchenpflege Rosa Gutknecht vorgeschlagen hätte, wäre sie von den Stimmberechtigten zweifellos gewählt worden. Doch nach dem Bundesgerichtsurteil stellte sich diese Frage nicht mehr.
1922 gab es nochmals eine Chance für die beiden. Der Regierungsrat hielt Wort und brachte die Zulassung von Frauen auf staatliche Pfarrstellen in die Vorlage über das Wahlrecht für die Frau ein. Im Kantonsrat wurde das Frauenpfarramt aber wieder gestrichen, weil es die ganze Vorlage gefährde. Für Rosa Gutknecht war das die Enttäuschung ihres Lebens. Wie Elise Pfister erlebte auch sie die Gleichstellung der Theologinnen im neuen Kirchengesetz 1963 nicht mehr. Rosa Gutknecht starb 1959. Die Vorlage über das Wahlrecht wurde dagegen auch ohne Frauenpfarramt von der Männerdemokratie 1923 haushoch abgelehnt.
Hochgeschätzt, aber nicht ebenbürtig
Elise Pfister blieb ihrer Kirchgemeinde bis zu ihrem frühen Tod 1944, Rosa Gutknecht bis zu ihrer Pensionierung 1953 treu. Beide arbeiteten auf einer gemeindeeigenen Pfarrstelle unter der offiziellen Bezeichnung «Pfarrhelferin». Diese leitete sich vom Pfarrhelfer auf Pfarrhelferstellen ab, die vom Kanton zur Entlastung des Hauptpfarrers errichtet wurden. Für die Gemeindemitglieder war klar, dass die beiden Frauen «richtige» Pfarrerinnen waren. Sie redeten sie mit «Fräulein Pfarrer» an. Im Nachruf auf Elise Pfister bezeichnete Rosa Gutknecht ihre Weggefährtin und Freundin als «weiblichen Pfarrer unter dem Namen Pfarrhelferin». Diese Einschätzung gilt auch für die späteren Pfarrhelferinnen in den anderen Kantonalkirchen. Sie waren den Pfarrern rechtlich nicht gleichstellt, arbeiteten in den Augen der Kirchenbasis aber als vollwertige Pfarrerinnen. Tatsächlich verrichtete Elise Pfister dieselben Amtshandlungen wie ihre männlichen Pfarrkollegen. Sie hatte einzig keinen geografisch umrissenen Pfarrkreis. Als hochgeschätzte Predigerin zog sie ein zahlreiches Publikum an.
Rosa Gutknechts Pflichtenheft bestand aus Jugendarbeit an den konfirmierten Töchtern, aus Armen- und Krankenbesuchen, Hausbesuchen und Besuchen von Neuzugezogenen sowie aus Verwaltungsarbeit. Hinzu kamen durchschnittlich zwölf Predigten pro Jahr, die sie sich ausbedungen hatte. Mehrmals versah sie bei Erkrankungen oder Pfarrvakanzen längere Vikariate mit allen pfarramtlichen Aufgaben. Ausserhalb der Vikariate waren Taufen an ihren Predigtsonntagen möglich, Trauungen und Beerdigungen auf Wunsch. Viele der Verstorbenen, die von ihr beerdigt wurden, stammten aus unteren sozialen Schichten. Dies traf auch auf ihr Gottesdienstpublikum zu. Stark vertreten waren Frauen: Rosa Gutknecht war die Pfarrerin der kleinen Leute. Allerdings konnte sie ihrer Berufung nicht voll nachgehen: Nur während der Vikariate konfirmierte sie insgesamt dreimal; das Abendmahl blieb ihr ausserhalb der Vikariate mit fadenscheiniger Begründung verwehrt. Rechtlich hätte die Kirchenpflege ihr alle Amtshandlungen übertragen können. Doch weder sie noch die Pfarrer setzten sich dafür ein. Trotz aller Zurücksetzungen zeigte Rosa Gutknecht beim Rücktritt grosse Dankbarkeit.
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