Städtebauliche Situation / Lage
(Auszug aus der Schweiz. Bauzeitung 1950)
sind zwei Elemente konstitutiv: Wort und Sakrament. Beide richten sich nicht an vereinzelte, einander nichts angehende Zuhörer und Zuschauer, sondern setzen eine Gemeinschaft unter den gläubigen Gottesdienstbesuchern voraus, bzw. sie schaffen - wenn sie kraftvoll genug sind - diese Gemeinschaft. Es ist darum in einer reformierten Kirche alles nach dem Wort und Sakrament auszurichten, und zwar so, dass dabei die Gottesdienstbesucher ihre Einheit und Zusammengehörigkeit erleben können. Auf den Gemeinschaftscharakter des reformierten Gottesdienstes gilt es durch eine geeignete Anordnung der Sitzreihen Rücksicht zu nehmen. Anstelle des langgezogenen Kirchenschiffes wurde in Seebach eine Form gewählt, die es erlaubt, die Sitzreihen zu konzentrieren und zu zentralisieren. Die Gemeinde wird um die Kanzel und den Abendmahlstisch herum gruppiert. Alles Trennende ist im Raum vermieden. Für irgendwelchen Separatismus ist kein Platz. Daher keinerlei Nischen und auch keine hohen, vom übrigen Kirchenraum losgelöste Emporen mit Separateingängen! Aber auch kein besonderes Gestühl für «ausgezeichnete» Gemeindeglieder und selbstverständlich keine hohen Säulen, die den Raum unnötig unterteilen und ihm die Einheit und Geschlossenheit nehmen!
Die Frage, ob die reformierte Kirche ein Chor enthalten soll oder nicht, erfuhr eine besondere Abklärung. Es wird gegenwärtig wieder da und dort die Forderung nach einem Chor erhoben und die Prämierung von neuen Projekten geradezu davon abhängig gemacht, ob sie ein Chor enthalten oder nicht. Durch das Chor soll vor allem der Abendmahlstisch (es wird in diesem Zusammenhang gern vom «Altar» gesprochen!) einen ausgezeichneten Platz erhalten. Es soll für die Gemeinde ein «Gegenüber» geschaffen werden und ihr dadurch die objektive Bedeutung der Sakramente zum Bewusstsein gebracht werden. Wir halten das für einen teilweisen Rückfall in den Katholizismus. In der katholischen Kirche ist das Chor notwendig, weil in ihm das Messopfer dargebracht wird. Zu diesem Chor hat nur der geweihte Priester Zutritt. Das Chor ist darum vielfach durch ein Gitter vom übrigen Kirchenraum abgetrennt. Die Gemeinde wird in der nötigen Distanz gehalten; sie spielt beim ganzen Vorgang im grossen ganzen nur eine Zuschauerrolle. In der Reformation ist das Messopfer abgeschafft worden. Das Chorgitter ist gefallen. Das Chor hat seine Bedeutung verloren. Jetzt tritt der Pfarrer mit den Kirchenpflegern vor die Gemeinde, um ihr im Auftrag Gottes das Abendmahl zu reichen. Dies geschieht vom Abendmahlstisch aus. Gott kommt in Wort und Sakrament der Gemeinde entgegen. Die Aufstellung von Kanzel und Abendmahlstisch in einem besonderen Raum entspricht nicht ihrer Bedeutung. Sie gehören direkt vor, oder sogar in die Gemeinde hinein. Darum ist der Platz, auf dem Abendmahlstisch und Kanzel ihre Aufstellung gefunden haben, bei uns so gelegt worden, dass die Sitzreihen der Gemeinde ihn seitlich flankieren. Es entstand dadurch das Gegenteil eines Chors, nämlich ein erhöhter Platz für Kanzel und Abendmahlstisch, der vom übrigen Kirchenraum nicht abgetrennt ist, sondern in diesen hineinragt. Das «Chor» ist gleichsam nach vorn verlegt. Statt Absonderung - Umschliessung desselben durch die Gemeinde! So bekommt die Gemeinde wahrhaftigen Anteil an Wort und Sakrament. - Dem Sakramentstisch ist dabei eine absolut zentrale Stellung eingeräumt worden. Die Kanzel, die ihm gegenüber eine weitere leichte Erhöhung erfahren hat, ist seitlich etwas verschoben worden. Damit wird die Wortverkündigung nicht zur Nebensache degradiert, wohl aber wird zum Ausdruck gebracht, dass eine echte Verkündigung immer wieder von dem Geschehen in Taufe und Abendmahl auszugehen und dorthin zurückzukehren hat. Das freie Wort wird dadurch gleichsam zentriert und in seinem tiefsten Sinn festgehalten.
Im übrigen ist die Kanzel absolut freistehend, kein Anhängsel der Orgel, oder sonst wie mit einem andern Bauelement verbunden. (Das Wort Gottes verträgt keinerlei «Anlehnung» !) Der Pfarrer schreitet durch die Gemeinde hindurch
zur Kanzel und kommt nicht als «deus ex machina» durch ein separates Türchen in die Kirche hinein.
Um die Zweiheit der Verkündigung durch Wort und Sakrament hervorzuheben, ist auf die Dreiheit von Kanzel, Abendmahlstisch und Taufstein verzichtet worden. Die beiden Sakra-mente - Taufe und Abendmahl - lassen sich ohne Schaden von ein und demselben Ort aus darbieten. - Es ist einem Tisch aus Stein den Vorzug gegeben worden. Es wirkt weniger gekünstelt, wenn auf einen solchen Tisch eine Schale gestellt wird, aus der die Taufe ge-spendet wird und man bei der Feier des Abendmahls durch die Abendmahlsgeräte ersetzt, als wenn bei der Feier des Abendmahls ersetzt, als wenn bei der Feier des Abendmahls der Taufstein in einen Tisch verwandelt werden muss. (Zudem hat bei uns der Taufakt eine derart rudimentäre Form angenommen - vom Tauchbad bis zu den drei Tropfen ist ein weiter Weg! -, dass eine Taufschale auf dem Abendmahltisch ihren Zweck vollauf erfüllt).
Die Orgel gehört nicht ins direkte Blickfeld der Gemeinde. Als Begleitinstrument darf sie nicht mit einem grossartigen Pfeifenprospekt den ganzen Kirchenraum beherr-schen. Ihre seitliche Anordnung entspricht der Bedeutung, die ihr im Gottesdienst zukommt. Das Schwergewicht des Orgelpro-spektes ist bei uns von der Kanzel weg auf die gegenüberliegende Seite verlegt worden.
Der Kirchenchor hätte sein Platz im äusser-sten Banksektor rechts - von der Kanzel aus gesehen - einnehmen sollen - gleichsam als Pendant zur Orgel. Es ist ein unbedingtes Erfordernis, dass der Chor mit der Gemeinde in einer direkten Fühlungnahme steht. Sie Sänger sollten sich aber nicht von ihren Plätzen wegbegeben müssen, um sich als Chor zu formieren. Diese ideale Lösung ist bei uns nicht erreicht worden. Musikalische Notwendigkeiten haben dazu geführt, den Chor nunmehr auf dem Podium um den Abendmahlstisch herum aufzustellen, was seiner liturgischen Bedeutung allerdings widerspricht.
Bei der Ausschmückung der Kirche ist auf Bilder verzichtet worden. - Um der Gemeinde zum Bewusstsein zu bringen, dass eine echte Verkündigung im Zeichen des Kreuzes zu geschehen hat, erhebt sich hinter Kanzel und Abendmahlstisch ein zehn Meter hohes Kreuz aus Stein. Es ist mit der Wand, die im gleichen Material gehalten ist, direkt verbunden. Es ist keine Imitation des Golgathakreuzes. Der rein symbolische Charakter ist gewahrt. Das Kreuz ist aber auch kein kleinlicher Zierrat, sondern es beherrscht den gesamten Raum und stempelt ihn zu einer Kirche, in der «man beschlossen hat, nichts zu wissen, als Jesus Christus, den Gekreuzigten».
Ausser dem Kreuz kommt in unserer Kirche das geschriebene - in Stein gemeisselte - Wort in einprägsamer Weise zu Geltung. Über dem einen Hauptportal steht das erste Wort der Bibel: Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde. - Über dem anderen das letzte Wort: Ja, ich komme bald. Amen. Komm, Herr Jesus. - Dazwischen stehen - als Überleitung zu Kreuz - auf vier Tafeln die zehn Gebote. Vor der Kanzel befindet sich ein Antepen-dium mit der symbolischen Darstellung des Pfingstereignisses: Die Hand - als Symbol für Gott, den Spender des Geistes; die Taube - den Heiligen Geist darstellend; die zwölf Flammen - als Hinweis auf die zwölf Apostel, welche als erste den Heiligen Geist empfangen haben - und schliesslich sechs Ketten, die Gemeinde versinnbildlichend, wie sie sich auf Grund des Heiligen Geistes gebildet hat. - Alles in allem kommt durch Wort und Symbol rings in der Kirche die ganze Heilsgeschichte - von der Schöpfung bis zur Wiederkunft - zur Darstellung. Im Zenit der Holzdecke weist ein Stern mit den dazugehörenden Sternbahnen auf den Himmel der Schöpfung.
Wir dürfen für unsern Kirchenbau wohl in An-spruch nehmen, dass er keinerlei Zufälligkeiten und unüberlegte Will-kürlichkeiten aufweist. Nachdem man sich über die theoretische
Grundkonzeption klar geworden war, fanden die Ideen durch unseren «Baumeister» den entsprechenden architektonischen Ausdruck.
Wir sind der Überzeugung, dass damit ein echter Typus einer reformierten Kirche geschaffen worden ist.