
Im Kirchenkreis neun haben zwei Pfarrpersonen Flüchtende aus der Ukraine aufgenommen. Von einem Alltag mit Gartenarbeit, Sprach-Apps und Unmengen an Essen.
Das Pfarrhaus in Altstetten ist umgeben von einem grossen Garten, in dem die 75-jährige Nadiia, gern jätet und Gemüse anpflanzt. Die frühere Opernsängerin stammt aus Kiew, Anfang April fand sie im Pfarrhaus vom Kirchenkreis neun Zuflucht vor dem Krieg in der Ukraine – gemeinsam mit ihrer 46-jährigen Nichte sowie deren beiden Töchter, 19 und 14 Jahre alt. «Der Kontakt kam über unsere Organistin zustande. Die vier Frauen sind Familienangehörige ihres Mannes Konstantin Timokhine», sagt Pfarrerin Judith Engeler, die das Haus gemeinsam mit ihrer Partnerin bewohnt.
Erst seit wenigen Wochen also leben die Frauen zu sechst unter dem gleichen Dach. «Ich freue mich darüber, dass die Räumlichkeiten sinnvoll genutzt werden können», sagt Judith Engeler. Die Familie aus der Ukraine ist zu viert in drei Zimmern untergekommen, ein Bad haben die beiden Parteien jeweils für sich. Bisher sei es die Sprachbarriere, die sich als grösste Hürde erweise. Englisch spricht keine der vier Frauen aus der Ukraine fliessend, deshalb behilft man sich mit einer Sprach-App, die mündliche Übersetzungen liefert. «Es geht immer um Praktisches – das funktioniert mit der App recht gut. Tiefere Gespräche sind dagegen nicht möglich», so Judith Engeler. Ab und zu komme es dabei auch zu lustigen Situationen. «Ihr Boden ist wie Asphalt», habe die App zum Beispiel übersetzt, als sich Nadiia zum ersten Mal im Garten nützlich machen wollte und auf der Suche nach passendem Gartenwerkzeug war.
Solche witzigen Situationen sind eine Auflockerung in einem Alltag, der von viel Unsicherheit und grossen Zukunftsängsten geprägt ist. Der Mann der Cousine musste in Kiew zurückbleiben und kann jederzeit für den Militärdienst eingezogen werden. «Meine Mutter und meine Cousine sowie die Töchter sind unglaublich dankbar für diesen sicheren Ort», sagt der Mann der Organistin, Konstantin Timokhine. Sie würden sich sehr wohl fühlen im Pfarrhaus, dennoch sei der psychische Schock natürlich weiterhin gross. Die Nächte seien lang, an ein Durchschlafen nicht zu denken. «Die psychische Gesundheit ist noch lange nicht gut», sagt er. Seine Mutter war als ehemalige Opernsängerin viel auf Tournee und ist sehr weltgewandt. «Sie findet die neue Umgebung spannend und ist oft unterwegs.» Dann besucht sie Konstantin Timokhines Geschwister, von denen ebenfalls einige in der Schweiz leben. Auch die Tage der beiden Jüngsten sind recht ausgefüllt: Die 14-jährige besucht eine Aufnahmeklasse in Albisrieden, ihre ältere Schwester führt ihr Jurastudium in Kiew online weiter.
Bei diesen unterschiedlichen Rhythmen würden sich gemeinsame Mahlzeiten nur selten ergeben, sagt Judith Engeler. «Es fühlt sich an wie ein WG-Leben – wobei mich Nadiia stark an meine Grossmutter erinnert – sie wollte auch ständig, dass ich noch mehr esse», erzählt die Pfarrerin und lacht. Es sei überhaupt nicht so, dass die Ukrainerinnen immer die Küche belegen würden, «aber wenn sie kochen, dann in richtig grossen Mengen.» Ansonsten beschreibt sie ihre Gäste als sehr zurückhaltend, sie würden viel Zeit in ihren Zimmern verbringen. «Man merkt, dass sie nicht zur Last fallen wollen.» Einmal habe die Pfarrerin ihre grosse Familie eingeladen und die Mitbewohnerinnen über den anstehenden Besuch informiert. «Nur um sie vorzuwarnen – doch sie haben es als Aufforderung verstanden, sich zurückzuziehen.»
«Judith und ihre Partnerin machen alles, damit sich meine Familie wohl fühlt», sagt Konstantin Timokhine. Auch Francesco Cattani sei ein fantastischer Gastgeber. Er ist der zweite Pfarrer im Kirchenkreis neun, der Flüchtende aus Ukraine bei sich aufgenommen hat. «Mutter und Tochter stammen aus der Stadt Sumy im Nordosten, das zu Kriegsbeginn zwei Wochen lang unter schwerstem Beschuss stand», so Konstanin Timokhine. «Sie mussten tage- und nächtelang im Keller ausharren, bevor ihnen die Flucht gelang – ohne Fluchtkorridor. Dabei haben sie ihr Leben riskiert.» Dies habe Spuren hinterlassen, die 28-jährige Tochter weine immer noch jeden Tag. Konstantin Timokhine: «Ich habe über Umwege von dieser Familie erfahren und ihnen Flugtickets in die Schweiz organisiert. Für mich ist klar: Jedes Leben zählt.»
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