Am 1. April führen sich Freund:innen und Familienmitglieder gegenseitig an der Nase herum. Der Scherztag ermuntert dazu, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen – und herzhaft miteinander zu lachen. Humor und Reformiertsein: Geht das gut?
«Ich kenne katholische Kollegen, die halten uns Reformierte ja für ziemlich humorlos», sagt Cornelia Camichel – und muss erst mal herzlich lachen. Dass sich dieser Stereotyp hartnäckig hält, ist der Pfarrerin während ihrer Fortbildung in Kirchenclownerie aufgefallen: Viele der anderen Teilnehmenden stammten aus einem katholischen Umfeld. «Persönlich lebe ich mein Reformiertsein anders – das Vorurteil kränkt mich daher nicht.» Die 53-jährige Bündnerin war Pfarrerin in Chur und Davos Platz, bevor sie 2021 die Pfarrstelle an der Kirche St. Peter antrat. Rückblickend spricht sie von wertvollen Impulsen, die sie dank der Clownerie-Ausbildung bei der bekannten Clownin und Theologin Gisela Matthiae erhalten hat.
Humor ist ja oft eine Reaktion auf das Unerwartete – deshalb lernte die Gruppe erst mal das Staunen wieder neu. «Der staunende Blick eines Clowns ist ja ähnlich wie der eines Kindes», sagt Cornelia Camichel. Mithilfe von Improvisationen schlüpften die Fortbildungsteilnehmenden in Rollen von Figuren, die in einem Kirchenraum zwar realistisch sind, aber dennoch ganz andere Zugänge verkörpern. So staubte eine Teilnehmerin in der Rolle einer Reinigungskraft das Kruzifix ab, während eine andere Person als Sigristin die Nummern der Lieder fein säuberlich auf die Holztafel stellte – notabene nicht ohne dabei ein Riesenchaos zu veranstalten.
Doch widerspricht es nicht einem standhaften und ernsthaften Glauben, die Kirche und ihre Devotionalien so ins Lächerliche zu ziehen? «In ganz frommen Kreisen ist Lachen über Gott oder einen Gesandten sicher ein Tabu», so Cornelia Camichel. «Doch Humor kehrt ja genau die bestehenden Herrschaftsverhältnisse um.» Über die Obrigkeit herzuziehen – das werde ja auch an der Fasnacht genüsslich gelebt. «Wichtig dabei ist, dass immer nur von unten nach oben gelacht wird», sagt die Pfarrerin. Dass der Witz also von der Person mit dem niedrigeren Status ausgeht. «Von der Kanzel herab darf sich eine Pfarrerin auf keinen Fall über die Gemeinde lustig machen.» In so genannten Statusübungen hat Cornelia Camichel in der Fortbildung gelernt, mehr Leichtigkeit in ihr Berufsverständnis zu bringen. Humor als Haltung zur Welt schafft Selbstdistanz, relativiert die eigene Sichtweise und ermöglicht einen Perspektivenwechsel. Insbesondere in Letzterem sieht die Theologin bedeutungsvolle Parallelen zum Glauben: «Der Glaube ist ja nichts anderes: Ein tiefes Vertrauen, dass man nach bestimmten Ereignissen neue Perspektiven findet und Hoffnung schöpft – auch in Situationen, die zuerst ausweglos scheinen.» Dies verdeutlicht sich im Osterlachen am Ostersonntag, wo die Pfarrperson traditionellerweise Witze erzählt, um die Gemeinde zum Lachen zu bringen. Die Freude über Jesu Auferstehung sei eben auch von grosser Erleichterung durchwirkt. «Man lacht, weil sich gezeigt hat, dass das Leben stärker ist als der Tod.»
Gelacht wird dann, wenn sich die Anspannung löst – und umgekehrt. Lachen löst und erlöst aus beengenden, festgefahrenen Strukturen. Cornelia Camichel: «Erst vor Kurzem habe ich wieder an mir beobachtet: Lachen erfasst wirklich den ganzen Körper und baut Stress ab.» Dies sei auch für die Seelsorge eine elementare Erkenntnis. «Bei der Verabschiedung von geliebten Menschen achte ich immer darauf, dass auch geschmunzelt werden darf.» So werde Humor zur Ressource. Aber natürlich ist es beim Humor vielleicht noch wichtiger als sonst im Leben, den richtigen Ton zu treffen. Sarkasmus und Ironie gehe nicht – und Galgenhumor nur, wenn er wirklich von der betroffenen Person ausgehe. Ein todkranker Mensch habe das Recht, über seine fehlenden Haare zu witzeln – für Nichtbetroffene sei dies ein Tabu. Auch hier ist der richtige Umgang mit Humor vor allem eine Frage der Perspektive. Ähnlich wie bei diesem Witz: Eine Diabetikerin bestellt eine Tasse Kaffee. «Mit Milch und Zucker?», fragt der Kellner. Sie antwortet: «Gern mit etwas Milch, aber ohne Zucker – den habe ich schon selber.»
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