Seit zehn Jahre wird im Café Yucca mitten in der Zürcher Altstadt Menschen in Notlagen Gastfreundschaft gewährt.
Ich komme am späten Nachmittag ins Café Yucca an der Häringstrasse 20 und schaue mich um. Farbige Aquarelle hängen an den Wänden, Blumen stehen auf der Theke. In ruhiger Stimmung wird Schach gespielt oder gelesen. Zwei kleine Hunde machen in einem Ziehwagen ein Nickerchen. Zwei Männer, ein sehr junger und ein älterer, fragen mich sogleich, ob ich neu sei hier. Man kennt sich, viele sind Stammgäste. Ich bestelle beim freundlichen Zivildienstleistenden an der Theke eine Tasse Tee und bin gespannt, was mir Kurt Rentsch erzählen wird. Der Teamleiter des Café Yucca ist seit 26 Jahren dabei. Davor war er Gärtner und Seelsorger. Ich frage ihn, was das für Menschen sind, die in dieser Oase der Geborgenheit nahe der Zentralbibliothek verkehren? Was führt sie hierher?
Kurt Rentsch: «Wir haben zu 75 Prozent Männer, Frauen sind in der Minderheit. Viele kommen aus dem Ausland, aus Osteuropa, aber auch aus Deutschland, und vermehrt aus der Schweiz. Sie sind obdachlos, haben keine Arbeit oder die Rente reicht nicht für den Lebensunterhalt.» Viele haben zuvor bei den Zürcher Kirchgemeinden um Unterstützung gebeten und wurden an das Café Yucca verwiesen.
Es sind Menschen, denen es an ganz grundlegenden Dingen wie Essen, Medikamenten oder einem Schlafplatz mangelt, denen die Perspektive fehlt oder die Probleme mit Ämtern und Institutionen haben. Passanten werden die Besucherinnen und Besucher des Cafés Yucca genannt: Durchreisende. Die koordinierte kirchliche Hilfe heisst Passantenhilfe Yucca+ und hilft entweder direkt oder vermittelt, wo nötig, Hilfe. Das Unterstützungsangebot ist ein ökumenisches Projekt; es wird von den reformierten und katholischen Kirchgemeinden der Stadt Zürich getragen und im Café Yucca umgesetzt. Das Café ist täglich bis 22.30 Uhr geöffnet.
Der Name Yucca ist übrigens von der Yucca-Palme abgeleitet, der aus einem scheinbar vertrockneten Stamm neue Triebe wachsen. Die Zimmerpflanze steht für eine gemütliche Wohnstube, wie das Café Yucca eine ist.
Kari-Anne Mey, die Kommunikationsbeauftragte der Zürcher Stadtmission, erzählt mir von einer typischen Begegnung mit einer Besucherin. Die Frau kam sehr gestresst ins Café. Dort bekam sie als Erstes eine warme Mahlzeit und man hat ihr für die Nacht einen Schlafplatz organisiert. Erst als diese menschlichen Grundbedürfnisse befriedigt waren, kam sie ein wenig zur Ruhe. Erst dann war sie imstande und bereit, sich beraten zu lassen.
Kurt Rentsch sagt: «Wir haben für jeden, der zu uns kommt, ein offenes Ohr. Der Zugang zum Café ist niederschwellig, das heisst, jeder kann kommen, ohne sagen zu müssen, wer er ist. Dafür gibt es klare Hausregeln wie Toleranz und Respekt, keine Gewalt, kein Alkohol, keine illegalen Subtanzen und ein Rauchverbot. Nur wenn jemand die professionelle Beratung, die im Café in einem Nebenraum angeboten wird, beanspruchen möchte, müssen wir natürlich wissen, mit wem wir es zu tun haben, um helfen zu können.»
Kurt Rentsch erzählt mir von vielen Einzelschicksalen, denen er auf seiner Arbeit täglich begegnet. Mich stimmen die Geschichten bald ziemlich traurig. Ich frage ihn im Verlauf des Gesprächs, ob ihn seine Arbeit nicht auch deprimiere? Er lächelt mich an und sagt: «Man muss wahrscheinlich schon ein wenig geschaffen sein für eine solche Aufgabe.» Es gehe ihm nicht darum, die notsuchenden Menschen per se auf den «richtigen» Weg zu bringen. Wenn jemand von Suizid spreche, masse er sich nicht an, ihm oder ihr das ausreden zu wollen. Aber für die Zeit, die die Passanten im Café Yucca seien, in der Zeit seien er und sein Team für die Bedürftigen da. Ich merke: Hier wird Diakonie im Alltag gelebt, ganz unaufgeregt, selbstverständlich, von Herzen.
Wie wird es weitergehen mit der Passantenhilfe Yucca+? Kurt Rentsch hofft sehr, dass auch in Zukunft genügend finanzielle Mittel zu Verfügung stehen. Sie sind mehr denn je nötig, damit das Team die stetig wachsende Nachfrage nach Beratungen bewältigen kann. Um seine Motivation hingegen macht er sich keine Sorgen: «Mich spornt jeden Tag aufs Neue an, dass ich mich ganz konkret um Menschen kümmern darf. Wenn ich jemanden in einer schwierigen Lage berate und ihm zuhöre, dann ist das Seelsorge, Sorge für den Menschen als Ganzes.»
Anlässlich des Jubiläums zehn Jahre Gastfreundschaft für Menschen in Notlagen wird im Café Yucca die Ausstellung «Unterwegs mit einem obdachlosen Yucca-Gast» mit Fotos von Florian Bachmann gezeigt. Eine Zusammenstellung von persönlichen Geschichten geben Einblick in das Leben der Passantinnen und Passanten.
Passantenhilfe Yucca+
Ort: Café Yucca, Häringstrasse 20, 8001 Zürich
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