«DIE ILLEGALE PFARRERIN» - EINE WANDERNDE HÖRINSTALLATION


Am 13. September 1931 wird in einem kleinen Bündner Bergdorf Geschichte geschrieben: Eine Frau wird Pfarrerin. Die junge Greti Caprez-Roffler predigt von da an in Furna und lebt das Leben einer Pionierin – auf allen Ebenen. Heute, über 80 Jahre später, macht sich ihre Enkelin Christina Caprez auf Spurensuche und erzählt ihre Familiengeschichte in einer packenden Hörinstallation. Die Ausstellung war in der ersten Septemberhälfte in der Kirche Seebach zu sehen und ist ab 19. September in der Kirche Saatlen erlebbar.

IllegalePfarrerin_1_585Spätestens seit dem Frauenstreik vom 14. Juni 2019 sind die Gleichberechtigung und die Rechte der Frau viel diskutiert. Es wird gleicher Lohn gefordert und gleiche Chancen – und vor allem eines: mehr Respekt. Doch wie sah es vor 80 Jahren aus mit der Gleichberechtigung? Nicht sehr gut, werden Sie denken, und vielleicht haben Sie damit auch recht. Wäre da nicht eine kleine Gemeinde im Bündnerland, die dies Lügen straft. Die aber vielleicht nur eine Ausnahme ist, die die Regel bestätigt. Wie dem auch sei: Vor 88 Jahren machte das kleine Dorf Furna etwas, das es vorher noch nie gab: Es wählte eine Frau zur Pfarrerin.

Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Es ist Greti Caprez-Roffler, 25 Jahre alt, frisch gebackene Theologin und Mutter. Nach ihrer Wahl zieht sie aufs Land, ihr Mann bleibt in der Stadt. 1931 ist das ein waschechter Skandal. Der kantonale Kirchenrat versucht alles in seiner Macht stehende, um das störrische Bergdorf zur Raison zu bringen. Doch Greti Caprez-Roffler lässt sich nicht einschüchtern: Zwei Jahre lang predigt sie und nutzt ihre Stellung, um die Lebensumstände der Frauen und Mädchen in Furna zu verbessern. Die Pfarrerin ist ein Rollenbild, das aus der heutigen Zeit stammen könnte. Sie inspiriert ihren Mann zu einem Zweitstudium in Theologie und übt später mit ihm gemeinsam das Pfarramt aus – Jobsharing in Zeiten, als es das Wort noch nicht gab. Sie fordert Männer auf, aktive Väter zu sein, bringt ihren Söhnen das Stricken bei und fordert ein, was ihr ihres Erachtens zusteht: Beruf und Familie zu vereinen.

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Auf den Spuren der Grossmutter

Die Geschichte von Greti Caprez-Roffler ist eine, die zu erzählen sich lohnt. Genau das dachte sich auch Christina Caprez, die Enkelin. «Meine Grossmutter starb, als ich 17 Jahre alt war», erzählt sie und fügt an, «dass sie eine Pionierin war, hat mich schon immer beeindruckt.» Über Politisches oder gar über ihr Leben und ihre Karriere hätten die beiden aber nie gesprochen. Christina Caprez erfährt vieles erst später beim Lesen von Briefen, Tagebücher und Artikeln und im Gespräch mit Weggefährten und Familienmitgliedern: «Ich entdecke eine Frau mit einem grossen Hunger auf das Leben, die ihrer Zeit weit voraus war und ihre Zeitgenossen mit ihrem festen Willen und ihrer direkten, bestimmenden Art immer wieder herausforderte», sagt Christina Caprez.

Das Leben ihrer Grossmutter erzählt sie in einer Hörinstallation bestehend aus sechs Guckkästen mit Fotos und Alltagsobjekten. An jeder Station kann man die Geschichte zu einem Lebensabschnitt ihrer Grossmutter hören. Dabei stellt die Autorin vieles in den aktuellen Kontext und wirft Fragen auf wie: Wie gehe ich meiner Berufung nach und werde gleichzeitig meinen Kindern gerecht? Wie lebe ich eine Liebesbeziehung auf Augenhöhe? Wie stark lasse ich mich in meinem Leben von meinem Umfeld, von gesellschaftlichen Normen beeinflussen, wie stark widersetze ich mich? Aber auch: Was ist der Preis für den Widerstand? Christina Caprez lässt dabei auch kritische Stimmen zu. Sie stellt das Tun ihrer Grossmutter in den heutigen Kontext, reflektiert und hinterfragt es. Eine Herangehensweise, die das Publikum begeistert.

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Hörinstallation in Zürich

Passend zum Zwingli-Jahr liest sich ein Kommentar aus dem Gästebuch der Kirche in Ottenbach ZH: «Was Zwingli für Zürich ist Greti Caprez für Graubünden – eine Reformatorin». Auch in der Markuskirche in Zürich Seebach, wo die Installation vom 1. bis 15. September zu sehen war, überzeugt das Werk von Christina Caprez. Pfarrerin Esther Gisler Fischer: «Mir persönlich hat gefallen, dass die auch optisch mit Artefakten aus dem Leben von Greti Caprez-Roffler schön gestaltete Ausstellung, Leben und Wirken der ersten Pfarrerin der Schweiz mit der Zeitgeschichte verbindet und Fragen nach der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gestern wie heute zum Thema macht.»

«Die illegale Pfarrerin»
Hörinstallation über Greti Caprez-Roffler

19. September – 6. Oktober, 9 bis 16.30 Uhr, Kirche Saatlen

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